25.12.05

Würstchen




Nimm ein Messer. Es sollte eine lange Klinge mit Spitze haben, aber nicht zu lang - sagen wir dreißig Zentimeter. Es sollte sich gut anfühlen und die Klinge sollte mit leisem Singen durch die Luft fahren. Und es sollte ziemlich scharf sein.
Nimm einen Nachweis, daß du eine Ausbildung zum Fleischer hinter dir hast.
Nimm ein Schwein. Suche die Halsschlagader und stich mit der Spitze des Messers hinein, aber nicht allzu tief. Betäubung nicht vergessen (Kohlendioxid oder Elektroschocks sind billig).
Ziehe das Messer leicht nach oben, so daß die Ader geschlitzt, aber nicht durchtrennt wird. Vorsicht, wenn die Ader ganz durchtrennt wird, stirbt das arme Tier langsam und qualvoll an inneren Blutungen.
Ausbluten lassen (evtl. Eimer bereitstellen). Jetzt das Schwein auf den Rücken legen, und den großen Bauchschnitt durchführen (von der Kehle bis zum Schwanz, das Messer beim Schnitt gut festhalten und kräftig führen). Ritze die Haut an und ziehe sie an einer Stelle ab. Besonders gut klappt das, wenn vorher kochendes Wasser über die Stelle gegossen wird. Unter der Stelle sollte jetzt der Bauchspeck zu sehen sein - hier ein mittelgroßes Stück ausschneiden und auf ein bereitgelegtes Brett legen. Nicht das Sonntags-Küchenbrett verwenden, es könnte dauerhafte Blutflecken geben.
Dann ein Stück vom Hinterschinken abschneiden (die hintere Oberseite des hinteren Schenkels) und neben den Bauchspeck legen.
Jetzt nimm das Messer locker in die Hand und hacke aus dem Handgelenk, aber mit kräftigen Zügen auf den beiden Fleischstücken herum. Keine falsche Scheu beim Hacken, sie können sich nicht mehr wehren. Wenn das Muskel- und Fettgemisch zu einer breiigen Masse geworden ist, gebe es in eine Schüssel, streue liebevoll etwas Majoran und Salz darüber und mische es gut durch. Die fertige Masse jetzt wasserdicht verpacken und etwa eine Stunde lang kochen.

Nimm ein Schaf.
Stelle sicher, daß du den Nachweis zur Fleischerausbildung immer noch greifbar hast.
Töte das Schaf auf ebenso humane Weise wie das Schwein (bei Platzproblemen in der Küche an den Vermieter wenden), Halsschlagader schlitzen, ausbluten lassen, Bauchschnitt.
Das glibbrige rote Zeug, was nach dem Aufschlitzen der Bauchdecke herausquillt, ist der Darm. Suche dir ein schönes Stück aus, schneide es frei und spüle es mit kaltem Wasser innen und außen sauber. Dann lege das Stück Darm auf den Tisch, und schabe vorsichtig mit dem Messer darüber, bis die äußere Muskelschicht von der Haut abgelöst ist. Diese auch kurz kleinhacken und mit in die kochende Fleischmasse rühren. Die Schleimhaut im Inneren der Hülse entfernen und die verbleibende Haut kurz abkochen (Keime!).
Die Darmhülle, die jetzt vor dir liegt, wird "Saitling" genannt. Öfter auch mit dem Zusatz "extra zart".
Nimm jetzt die kochende Fleischmasse, tauche einen Löffel hinein, prüfe, ob die Substanz schon weich genug ist und ignoriere den seltsamen Geruch, der von dem toten Schaf ausgeht. Füge eventuell noch ein paar Gewürze hinzu.
Nimm dann eine Spritztüte (das Teil für die Sahnehäubchen auf der Torte) und fülle die heiße Fleischpaste mit einem großen Löffel hinein. Spritze dann die gekochte Fleischmischung in die Darmhülle. Diese kann auf beiden Seiten zugedreht werden, sollte aber noch fixiert werden - zwei Haarnadeln sind als Provisorium ganz gut geeignet. Dann die noch weiche Masse im Inneren solange hin- und herdrücken, bis die Form attraktiv erscheint.

Nimm die entstandene Wurst und lege sie in den Kühlschrank. Schreibe ein Etikett mit der Aufschrift "Wiener Würstchen - aus biologisch-kontrollierter Haltung. Im extra zarten Saitling". Klebe es auf ein hohes Marmeladenglas.
Dann nimm das kühle Würstchen aus dem Kühlschrank, wirf dabei keinen Blick auf die Blutflecken an deinen Händen und beiße genüßlich hinein...

Frohe Feiertage! ;)

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