Seit einiger Zeit bin ich im Freundeskreis beim Spielen eines Rollenspiels namens DSA. Das Ergebnis eines Versuchs, nämlich ein ausgefertigtes Heldentagebuch, werde ich hier mal probehalber veröffentlichen.
Abenteuer: Bund der Schriftrolle
Was bisher geschah: Uns erreichte ein Auftrag vom Bund der Schriftrolle. Die Aufgabe versprach dabei nicht sonderlich viel Ruhm und Ehre - es ging um das Reinemachen eines Kellergewölbes. Selbstverständlich erwiesen wir unseren Auftraggeber die Ehre und kränkten ihn nicht mit einer Zurückweisung. Meine zwei Gefährten erkannten die mißliche Lage der Räumlichkeiten schnell und eilten zum hiesigen Schreiner, um sich das morsche Regal ersetzen zu lassen. Doch auf dem Weg dorthin geschah etwas zutiefst Außergewöhnliches und Merkwürdiges. War zuerst nur ein leichtes Schwinden des Tageslichts zu verspüren, wurde es binnen weniger Momente trotz hochsommerlichen Klimas empfindlich kalt. Mein Mißtrauen ließ mich den Himmel absuchen, immerhin bin ich schon Gegnern begegnet, die in der Lage waren, die Praiosscheibe abzudunkeln. Meine innere Anspannung sank jedoch, als ich auf den weiten westlichen Landen, auf die ich zu dem Zeitpunkt zufällig eine gute Übersicht hatte, eine Schattenfront auf mich zurasen sah. Von diesem Phänomen hatte ich bereits gelesen - eine sehr seltene astronomische Konstellation ermöglichte es unserem Madamal, sich in seinem kraftvollen Tanz vor die Quelle des geheiligten Tageslichts zu schieben und somit einen Schatten von wahrhaft gigantischen Ausmaßen auf unsere Lande zu werfen. Ein bißchen unsicher war ich mir noch, ob mich die Zeichen nicht trügen - aber die Bedenken wurden hinweggefegt, als ich die Auswirkungen des urgewaltigen Ereignisses bemerke.
Die einfachen Leute in dieser Stadt wurden vom Grauen gepackt und gebeutelt, und die Angst vor dem Unbekannten vernebelte ihnen den klaren Verstand. Ich erkannte schnell, daß hier eine rechtzeitige Aufklärung der Umstände nicht mehr möglich war, die Panik war schon zu weit fortgeschritten. Also machte ich, daß ich von den breiten Straßen wegkam, die in Kürze von panisch trampelnden Flüchtenden überfüllt sein würden. Um meine Gefährten machte ich mir hingegen wenig Sorgen, die einen waren sicher im Kellerraum, und die anderen beiden würden sich der Massen zu wehren wissen.
Die Verfinsterung des Tageslichtes kostete mehrere Hundertschaften an Menschen das Leben. Auch wenn die Wüstenstadt für ihre hohes Maß an umhergammelnder Bevölkerung bekannt ist, ist ein solcher Vorfall doch eine sinnlose Verschwendung von Astral- und Lebensenergie.
Später am Tag, als das Regal aufgebaut war und sich die Aufräumarbeiten in vollem Gange befanden, erreichte uns eine Brieftaube. Wir nahmen ihr das schwere Amulett vom Hals und lasen den Brief. Er brachte Kunde von drei Entdeckern im fernen Süden, die sich anschickten, die Geheimnisse dieser unerforschten Gebiete aufzudecken. Der Schreiber namens Morganis klagte, daß seine zwei Gefährten bei der Reise ums Leben gekommen wären, sein getreuer Freund Dublonio erst vor Kurzem. Auch er selbst fühle sich schon krank und schwach, und fürchte, in naher Zukunft auch sein Leben lassen zu müssen. Außerdem schrieb er, daß es die Symbolik auf der linken Hälfte des mitgeschickten Amuletts in diesen Gebieten überall zu finden sei. Dieses zeigte die Linien eines schlecht gelaunten Gesichtes, umringt von einem flammenden Sonnenkranz. Die andere Hälfte wiederum setzte das Gesicht fort, nur mit einer weitaus freundlicheren Mimik und mit symbolisiert angebrachten Sternen um den ebenen Kreis. Da die Arbeit als Schreiner und Hilfsgesellen zwar arbeitsreich, aber nicht sonderlich ehrenvoll ist, war die Entscheidung zugunsten des neuen Auftrags nicht allzu schwer. Und so waren die Arbeiten schon beinahe beendet, als uns eine zweite, sehr ähnliche Brieftaube erreichte. Im angehängten Brief stand geschrieben, daß sich die Reisenden schon halbewegs erholt und in ein nahegelegenes Dörfchen Einzug gehalten hätten. Nur wären deren Einwohner ziemlich seltsam, und das Verhalten scheine auf beiden Seiten noch sehr mißtrauisch zu sein.
Wiederum wenige Stunden später schlossen wir uns einem Händlerzug an und erreichten ohne Komplikationen noch vor Ende des Tages die Perle des Südens - die Großstadt Alanfa. Die allgemeine Stimmung dort ist unruhig, schon seit langem steht ein Krieg mit der Nachbarprovinz an, und die Lage scheint sich langsam zuzuspitzen. Ungeachtet dessen, unser Auftrag hatte begonnen.
Heldenbericht:
Es ist später Abend, als wir uns in der Wüstenstadt Alanfa häuslich einrichten. Mein Gefährte Gerrik, der dem unpopulären Handwerk des Diebstahls nachgeht (ich höre ihn schon protestieren, aber auch Einbruch wird in die Kategorie Diebstahl gezählt, solang es nicht nur um das bravouröse Knacken der Schlösser geht), verkauft noch bei irgendwelchen dubiosen Gestalten sein letztes Diebesgut - einen guten Schnitt konnte er anscheinend dennoch nicht machen. Die Edelsteine alleine schienen mir schon wesentlich mehr von Wert gewesen zu sein als die 7 Dukaten seines Erlöses, daher gönne ich sie ihm gerne. Die letzten Stunden des Abends nutzt auch ein Gefährte mit weitaus besserem Ruf - Alfred, unser Fernhändler, fragt an den wichtigsten Punkten der Stadt nach verschollenen oder vorbeigekommenen Entdeckern. Nachdem er den Hafenmeister und den Bibliothekar alle erdenklichen Hinweise entlockt hat - ohne Erfolg - helfe ich ihm bei der Befragung der schwierigeren Gesprächspartner. Doch weder eine Plauderei mit dem wortkargen Sklavenhändler, noch eine improvisierte Konversation mit den Sklaven - auf Mohisan - bringt uns zu irgendeinem Ergebnis. Sogar in die nahegelegene Magierakademie wagt sich Alfred in meiner Begleitung, doch dort entdeckt er ebensowenige Spuren wie später in der Kaserne. In der Taverne - ich bin schon nahe daran, aufzugeben und am nächsten Tag weiter südlich zu reisen - entdeckt Alfred am Hals unseres Wirt das bekannte Amulett. Er behauptet, nichts darüber zu wissen, doch Alfred ist sich der Wahrheit dieser Aussage nicht sonderlich sicher. Meine Genossen nutzen währenddessen die Gelegenheit, ihr letztes bestandenes Abenteuer gebührend zu feiern. Die beiden jungen Damen wechseln dabei schnell vom fruchtigen Wein zu härteren Getränken über - was sie allerdings nicht einmal annähernd gewohnt sind. Schon nach knapp einer Stunde erbarmt sich dann der kräftige
Bautzen und trägt die beiden schwerbetrunkenen Grazien hinauf in ihr Zimmer. Daß sich in der Taverne ein dicker, reicher Sultan über die lausige Unterkunft vor der bevorstehenden Sklavenauktion beschwert, entgeht mir übrigens völlig - was in naher Zukunft beinahe schwerwiegende Folgen gehabt hätte.
Der Dämonmagier Kergajo, mit dem ich recht gut befreundet bin (Magier müssen zusammenhalten, besonders wenn sie beinahe so oft dem öffentlichen Spott ausgesetzt sind wie die Zwerge) schlägt mir einige magische Rituale vor, die in den nächsten schweren Zeiten noch sehr von Nutzen sein dürften. Die Idee mit der Dschinnenlampe war mir zwar sehr sympathisch, nur stand es mit meinen Finanzen nicht so gut, daß ich die nötigen 1320 Dukaten dafür aufbringen könnte. Und für mein Spielzeug die Kollegen mit den erforderlichen drei Tagen Meditation aufzuhalten, würde meinem Ruf auch nicht gerade förderlich sein. Also nutzen wir den Abend lediglich für ein paar einfachere Rituale. Kurz werden wir unterbrochen, als Yann an die Tür klopft und um einen billigen Schlafplatz bittet. Da er versichert, sich von unseren Vorhaben nicht stören zu lassen, erhält er einen spartanischen Schlafplatz auf dem Boden. Zwei Zauberdatteln entstehen im Lauf der geschickt kombinierten Zauberkopplungen, die dem Träger beim Verzehr etwa zwei Drittel der geraubten Lebenskraft zurückgeben können. Stolz auf das vollbrachte Werk, auch wenn ich nur Handlangerdienste verrichtet habe, schlafe ich ein.
Naturgemäß sammelt sich das lichtscheue Gesindel mit dem Einbruch der Nacht - und auch Alfred und Gerik nutzen die Gunst der Stunde, um allerlei zwielichtigen Aktivitäten nachzugehen. Wie ich am nächsten Morgen erfahre, wurde der starrsinnige Wirt auf das Amulett zur Rede gestellt und ein Treffen mit einem alten, ehemaligen Sklaven wurde am anderen Ende der Stadt arrangiert. Der Schwarze fasste seine Lebensgeschichte kurz zusammen und bat uns, seine Geliebte aus dem Gefängis seines ehemaligen Meisters, einem Sklavenpascha, zu befreien. Auch wenn das damals etwa zwanzigjährige Mädchen nicht Bescheid über das gesuchte Amulettsymbol gewußt hätte, wäre die Rettung keine Frage gewesen. Letztendlich verabschiedete man sich sowohl von dem imposanten Treffpunkt - einem wassergetriebenen Aufzug für Fuhrwerke - als auch von dem glücklichen alten Mann, mit einem Versprechen des baldigen Wiedersehens. Natürlich konnten die zwei es nicht lassen, auf dem Rückweg noch einen Juwelierladen auszunehmen. Auf "wundersame" Weise verschwand dann Alfred - natürlich mitsamt dem Diebesgut - , um während der folgenden Sperrstunde nicht von den patroullierenden Gardisten aufgehalten zu werden und unangenehme Fragen beantworten zu müssen. Eine Episode des nächtlichen Treibens bekam ich allerdings zu hören, die auch mich noch zum Lachen brachte. Unser meisterhafter Einbrecher konnte nämlich nach der vollführten Aktion natürlich nicht zum Haupteingang der Taverne hereinspazieren, sondern mußte eine wahre Geschicklichkeitsprobe im Wandklettern ablegen. Und obgleich mit Bravour bestanden, scheiterte der unauffällige Ausflug beinahe daran, daß die Zimmergefährten zu müde waren, um auf das leise Klopfen am Fenster zu reagieren. Leider gab es auch keine Schlösser zu entriegeln - die Fensterladen waren einfach nur nach außen zu öffnen, und dort hing der arme Gerrik in seiner mißlichen Lage. Glücklicherweise ist er das lange Hängen an Fenstern gewohnt, und so ging die waghalsige Aktion nach etwas Geduld noch glimpflich ab. Oh nein, lacht nicht. Fensterstürze sind nicht zu unterschätzen, da sollen schon tapfere Krieger erhebliche Blessuren davongetragen haben - das kann bis zur völligen Kampfunfähigkeit gehen!
Aber ich will nicht klingen wie ein Neunmalkluger und Weisheiten auftischen, die ohnehin schon jeder für Leib und Leben verinnerlicht hat. Daher fahre ich einfach fort, meine Aufzeichnungen weiter vorzutragen. Merkwürdigerweise steht genau zu dieser Stelle ein Wort, dessen tiefere Bedeutung sich mir bis heute nicht erschlossen hat. Daher übernehme ich es so, wie es geschrieben steht und spare mir die zugehörigen Erklärungen, die ich ja doch nicht geben könnte.
Am nächsten Morgen also wachen die meisten unter uns frisch und ausgeruht auf, sogar die beiden Damen sehen wieder erholt aus, auch wenn ihr Blick noch ziemlich verschlafen wirkt. Wir versammeln uns in der Taverne, um den neuen Tag standesgemäß mit einem guten Mahl zu begrüßen.
- Meisterwechsel -
Gerade als wir unser improvisiertes Frühstück beendet haben - mir hat es allerdings im Gegensatz zu meinen Gefährten sehr gut geschmeckt - taucht der alte Ex-Sklave wieder auf und setzt sich zu uns an einen Tisch. Wie versprochen, hat er einen Lageplan des Sklavenpaschas dabei und gibt uns eine kurze Wegbeschreibung zu der Festung, wenngleich er uns versichert, daß das Gebäude absolut nicht schwer zu finden sei. Unser einziges Problem dürfte sein, in den Komplex einzudringen - das wird uns klar, als wir die Karte studieren.
Der direkte Sturmangriff ist die Idee, die am schnellsten aufkommt - und auch genauso schnell wieder verworfen wird. Denn bevor wir auch nur in die Nähe des großen Gitters zum Herrenhaus kämen, hätte der Alarm von den Wachtürmen schon lange die etwa acht Dutzend Söldner in der Kaserne auf uns gehetzt. Nachdem das Thema auf den Aufbau der Festung kam, wurde auch die zweite Idee - ein Mauerdurchbruch hinter dem Pferdestall - wieder verworfen. Wir wären selbst mit geeignetem Werkzeug und ohne Überwachung einige Tage damit beschäftigt gewesen, uns durch die massiven Steinwände zu arbeiten. Natürlich wäre das meinen Plänen bezüglich der Dschinnenlampe sehr entgegengekommen, aber ich habe ja leider nur ein geringes Mitspracherecht, was Zeitplanung angeht...
Nachdem auch das Klettern über die Wehrgänge und das heimliche Übernachten als zu riskant verworfen wurde (stechendes Argument: wie kommen wir wieder raus?) blieb nur noch ein Weg übrig - der Weg des Chaos.
Der Plan ist ebenso kompliziert wie verheißungsvoll, und die Feinheiten sollten wir noch am Abend bei einem guten Mokka ausdiskutieren. Der wichtigste Punkt in dem Plan schließt die Besorgung einer gültigen Eintrittskarte ein. Dank dem hervorragenden Gedächtnis Bautzens wurde uns dieses wichtige Detail sehr erleichtert - er erinnerte uns daran, daß in der hiesigen Taverne ein Sultan residiere, der höchstwahrscheinlich eine gültige Eintrittskarte zur bevorstehenden Sklavenauktion besitzen dürfte. Unsere Planungen wurden allerdings immer öfter durch den Mißmut der Rechtsgelehrtin gestört - sie ließ sich von der moralischen Legitimität unseren Treibens partout nicht überzeugen. Immer wieder wurden uns Unmutsbeteuerungen und angedeutete Moralpredigten an den Kopf geschleudert, doch mit den Belehrungen biß sie durchgehend auf Granit. Wir ließen uns in unserer Planung nur soweit beeinflussen, daß wir den Sultan nicht gleich nach dem Raub liquidieren würden - dieses Vorgehen hätte uns jedoch bei einer so einflußreichen Person ohnehin vor massive Probleme gestellt.
Auch für den Diebstahl der Eintrittskarte wird ein detailliertes Vorgehen ausgeklügelt - nachdem die Holzhammermethode (Wächter überlisten, Sultan überrumpeln) schon an der Tür gescheitert ist. Unsere bezaubernde Rechtsgelehrte Genoveva darf also nun den moralisch einwandfreien Weg begehen, mit ihren weiblichen Reizen die Wächter verführen, somit Eintritt in die Sultanssuite erlangen, ein Seil unter dem Fenster befestigen und die am Boden stehenden Kumpanen für weitere Schandtaten benachrichtigen. Auch dieser Plan ist ist voller Schlag ins Wasser - die Wächter lassen sich nicht beeindrucken (woran die Strategie gescheitert ist, lasse ich jetzt diplomatischerweise offen) und der Einlaß wird mit der Begründung, der Sultan nähme ein Bad, verwehrt. "Alles muß man selber machen", grummelt der Dämonmagier und läßt unseren geübten Einbrecher ein Seil mit Enterhaken hinauf zum Balkon schleudern. Daraufhin klettert Kergajo in die luftigen Höhen (des ersten Stocks) und erreicht das Schlafgemach des Sultans. Ein kurzer Blick offenbart ein himmelblaues Himmelbett mit des Sultan's Kleidern, einen kleinen runden Tisch und einen geräumigen Sessel. Die darauf angewendete genaue Abfolge der Zauber fällt unter die Schweigepflicht der Magier. Grob gesagt, der Sultan wurde unter einen Bann genommen und verriet vertrauensselig das Versteck der Einladung, bevor sein Gedächtnis diesbezüglich gelöscht wurde. Nur soviel sei noch verraten - fortan lebt er in dem Glauben, auf der Suche nach speziellem Rauschkraut in den trockenen Süden gereist zu sein. Da er dieses Detail tunlichst vor seinen Wachen geheimhalten wird, werden die Ausreden bei eventuellen Gedächtnisstützen wie von selbst sprudeln.
Unser kleiner Trupp derweil sucht einen guten Schneider auf und staffiert mich und Genoveva, meine Gemahlin in spe, mit standesgemäßer Kleidung aus. Somit treten wir die nächsten Tage als Sultan und dessen Gefolgschaft auf - ein geschickter Plan, der mich leider beinahe 7 Dukaten kostet. Aber die Kleidung läßt sich ja mit Sicherheit wieder verkaufen - notfalls an den Sultan selbst. In voller Montur proben wir schon einmal den Gastauftritt bei den Torwächtern zur Festung und lassen uns von unserem getreuen Diener Gerrick zum offiziellen Besuch anmelden. Daß der Kerl sich meinen vorgeblichen Namen beinahe nicht merken kann, bedeutet kein ernsthaftes Risiko - die augenblickliche hoheitliche Rüge hätte mir wahrscheinlich sogar Spaß gemacht. Die Generalprobe bringt uns lediglich eine Information - die Wächter sind nicht sonderlich redselig - nämlich, daß die geplante Auktion am morgigen Tage beginnen würde. Ein zwischenzeitlich durchgeführter Versuch unseres Gardisten, sich als Wächter in der Festung zu bewerben, ist übrigens wegen Personalüberschuß fehlgeschlagen.
Zurück in der Taverne - der Wirt erweist sich nach einem kleinen Trinkgeld als erstaunlich redselig und beschreibt uns den Weg zum alten Kahela. Als waschechter Südaventurier weiß ich natürlich, welche kleinen Delikatessen vom Gastgeber ohne finanzielle Probleme erwartet werden können, und so bestelle ich eine Runde Mokka.
Der weißhaarige Mann erzählt noch einige letzte Details zu unserer Mission, und wir diskutieren noch die letzten Einzelheiten durch. Die Planung erweist sich als erstaunlich anschaulich - denn von dem Hügel aus, auf dem das Anwesen Kalehas steht, kann die Festung des Sklavenpaschas komplett überschaut werden. Mit der einbrechenden Nacht verabschieden uns gebührend und Kaleha wünscht uns außerordentlich viel Glück. Obwohl unsere Chancen nicht allzu gut stehen, bin ich zuversichtlich, den meisten Risiken durch geschickte Planung entgehen zu können. Noch zwei Zauberdatteln für die schlimmsten Notfälle entstehen in dieser Nacht.
Der nächste Morgen läßt sich sehr gemächlich an - wir dürfen schließlich offiziell ein hoheitliches Leben führen. Die unbeschwerte Ruhe hat mir auch einiges an Kraft und Magie zurückgegeben, ich fühle mich kräftig und erfrischt für die anstehende Aktion. Ob hier in der Nähe eine astrale Kraftlinie liegt? Wahrscheinlich ist es aber auch einfach nur Lampenfieber vor dem bevorstehenden Auftritt, das mich besonders aktiv erscheinen lässt. Nach dem Frühstück kleiden wir uns wiederum standesgerecht - und schon auf dem Weg zur Festung fange ich an, mich auf meine Aufgabe zu konzentrieren. Mit dem Rythmus des Schrittes rezitiere ich die Formel für den bevorstehenden Zauberspruch, wieder und immer wieder. Ein Fehler in der Ausführung darf mir heute auf keinen Fall passieren. Am Haupttor angekommen, schicke ich wieder meinen "Diener" zur Vorstellung voraus, lasse die Eintrittskarte zeigen und wir treten ohne Komplikationen ein. Ich bekomme noch mit, wie Kergajo heimlich eine Zauberdattel zu Genoveva wandern läßt, um für den schlimmsten Notfall vorzusorgen. Meine Bewunderung für den Magier steigt - ich weiß, wieviel Arbeit, Schmerz und Herzblut in diesem unscheinbaren Objekt steckt. Und obgleich ich meine Gefährten sehr liebgewonnen habe, würde ich die Früchte meiner Arbeit lange nicht so großzügig verteilen, wie es Kergajo gerade tat. Umso mehr ärgert mich die Reaktion des jungen Fräuleins - schnippisch meint sie, "was soll ich damit" und läßt die Pflaume lieblos in die Tasche rutschen. Wahrscheinlich hätte sie sie auch, rein aus Trotzgefühlen, unter dem Absatz zertreten, wäre das nicht den umherstehenden Wächtern seltsam vorgekommen. Diese Verachtung trifft meinen Freund tief, und ich teile den kurzen Schmerz in der Brust ein wenig mit ihm. Allerdings kann ich solche Aktionen nicht so schnell verzeihen wie der gutmütige Kergajo; der Schmerz verwandelt sich schnell in Wut. Was erlaubt sich diese Frau, mit anderer Leuten Gefühlen umspringen, wie es ihr passt! Einen lebensrettenden Gegenstand und die Verehrung, die dahinter steckt, einfach so auszuschlagen, nur weil die Kraft dahinter auf magischer Energie beruht!
Banausen wie diese Person sorgen doch letztendlich dafür, daß magisch begabte Menschen von der Gesellschaft nicht anerkannt werden und entweder belächelt oder gefürchtet werden, rumort es mir grimmig in den Gedanken. Doch allmählich kommen wir der hölzernen Ehrentribüne näher, und ich bemühe mich, mich wieder auf mein eigentliches Ziel zu konzentrieren. Wir nehmen Platz, und warten auf die Eröffnung der feierlichen Gesellschaft. Die Plätze füllen sich schnell, die Begrüßungsrede beginnt. Es wird Zeit, die Aktion zu beginnen, und der Startschuß liegt an mir. Der geübte Gedankenfluß für den entscheidenden rituellen Spruch ist schon lange unterbrochen, und so bewirkt die vorherige Meditation leider keine Erleichterung mehr in der Rezitation - es erfordert soviel Konzentration wie eh und je, so daß mir die Schweißperlen auf die Stirn treten und meine Augenlider flattern. Glücklicherweise ist es laut genug, daß meine gemurmelten Worte nicht auffallen - einen lautlosen Zauber hätte ich wahrscheinlich nicht in diesem Ausmaß hinbekommen. Sobald meine letzte, unter dem Podium ausgeführte Geste beendet ist und ich den magischen Kraftstrom förmlich aus mir fließen spüre, lodert fünf Schritt hinter mir - also dicht hinter der Holzwand - eine fauchende Flammenwand auf. Sie ist kräftig geworden, das spüre ich. Schade, daß nur ein paar Wachen Zeuge des Meisterwerks werden konnten - die interessanten Personen sitzen leider vor der Holzwand. Schnell fängt das Gebälk an, Feuer zu fangen, und das ist das Schlüsselereignis für meine Gefährten. Weise haben sie sich quer durch das Podium verteilt, und stiften jetzt an allen Punkten Panik und Kopflosigkeit. Die Menge gerät schnell in Aufruhr, auch die magisch verstärkten Durchsagen kommen gegen das laute Fauchen und Prasseln des lichterloh brennenden Podiums nicht mehr an. Die etwa dreihundert panischen Gäste und Söldner laufen wegen dem geschlossenen Haupttor auswegslos umher, und die Ziellosigkeit macht diese Menschenmasse noch einmal doppelt so unbeherrschbar. Durch den Tumult schlängeln sich unbemerkt zwei Gruppen - Bautzen und Kergajo (der übrigens in der Zwischenzeit seine Dattel zurückbekommen hat) versetzen sich bei Sichtkontakt sofort hinter das Gitter zu den Sklavenunterkünften und beginnen mit der Befreiung.
Die restlichen Gefährten stehen mir zur Seite, gemeinsam besiegen wir im Kampf die Torwächter vor dem Gitter zum Herrenhaus und dringen mit Gerricks Hilfe in den privaten Hof ein. Hinter uns stürmt die Meute herbei, in blinder Angst vor dem Feuer ist ihnen jeder Platz gut, solang er nur weit genug weg ist. Das Haupthaus wurde uns glücklicherweise ausführlich beschreiben, so daß wir die gesuchte Gefangene namens Valia schnell finden können. Bautzen zeigt wahren Einfallsreichtum, als er eine Häkeldecke findet und dem jungen Mädchen überwirft. Auf diese Weise bleibt unser Auftreten als Sultan und Gefolge gewahrt, wenn wir uns zum Rückzug entscheiden.
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