3.6.08

Studienverkürzung Teil 1: Motivation



in Trance wackelndes Kind


Meine Freunde und Bekannte werden nicht müde, mich zu bemitleiden. Jedes Mal, wenn das Thema auf meine Studienverkürzung gelenkt wird, bekomme ich solche und ähnliche Dinge zu hören:
"Aber daß das dir mal nicht zuviel wird..."
"Man braucht doch auch noch ein Leben!"
"Studium ist auch nicht alles!"
"Hast du dann überhaupt noch Zeit für was anderes?".
Ich sehe in den meisten dieser Kommentare die instinktive Schutzreaktion eines Studenten - "Wieso kann ich so etwas nicht auch"? Aber der Unterschied zwischen einem durchschnittlichen Studenten und mir besteht nur aus vier Punkten (Intelligenz gehört nicht dazu).
Der Erste - und wichtigste - Faktor ist die Motivation.

Ein Ziel verfolgen
Ich bin mir völlig im Klaren, welches Ziel ich mittelfristig mit meinem Leben verfolge. Es bestimmt meine Wege im Alltag und auch noch die kleinste meiner Entscheidungen - bewußt oder unbewußt. Mir ist klar, in welche Richtung mein Leben laufen soll und setze alles daran, mich dorthin zu bewegen.
Im Karate-Kurs hing ein Schild an der Wand - "Dein Ziel ist es, ein Schwarzgurt zu werden!". (Beinahe) genau so soll ein Ziel aussehen: Klar und hart definiert, so knapp wie möglich und positiv formuliert. Das SMART-Modell aus dem Projektmanagement ist eine Formulierungsmöglichkeit, ich bevorzuge einfach meinen eigenen Satzbau - schließlich folgt er meinem Denkschema und läßt sich deswegen einfacher verwurzeln.
Ich hatte vor zwei Jahren nur eine sehr schwammige Zielvorstellung und habe den Online-Kurs Zielsetzung (kostenlos, aber intensiv) durchgearbeitet. Eine Woche später hing auch über meinem Bett ein entsprechendes Schild.
Ein Ziel ist wie ein Leuchtturm - er steuert die Filter in der Wahrnehmung (macht uns damit auf Dinge aufmerksam, die uns sonst verborgen bleiben würden) und reguliert die Vielzahl der winzigen Entscheidungen im Alltag ("Fahre ich mit dem Fahrrad oder mit dem Auto?") in die richtige Richtung. Der Mensch trifft am Tag über 200 Entscheidungen - und mit einem eindeutigen Ziel findet man die richtigen Abkürzungen auf dem Lebensweg.

Begeisterung empfinden
Die Motivation besteht aus zwei Teilen - innere und externe. Die externe ist eine treibende, eine von hinten schiebende Kraft - beispielsweise eine nahende Deadline/Prüfung oder die Erwartungen der Familie. Weil extern motivierte Menschen ständig unter Druck stehen und diesem zu entweichen suchen, werden sie ihr Glück niemals in der Arbeit finden. Da allerdings die Arbeit einen Großteil des Wachzustandes ausmacht, sind solche Leute überwiegend unglücklich mit ihrem Leben.
Viel spannender ist die innere Motivation - sie ist unser eingebauter Motor und zieht uns an den gewünschten Ort. Innerlich motivierte Leute treibt kein Erwartungs- oder Erfolgsdruck - sie sind einfach nur begeistert von ihrer Aufgabe. Man trifft besonders viele alte Menschen, die "in ihrer Arbeit aufgehen" und mit einer unvergleichlichen Liebe und Sorgfalt ans Werk gehen.
Damit eine echte Begeisterung auf lange Zeit erhalten bleibt, finde ich diese Punkte besonders wichtig:
  • Setze bewußt wirklich ein paar kleine Zwischenziele und freue dich, wenn du sie erreicht hast.
  • Wandle das Ziel zu einem Selbstläufer: auch kleine Erfolgserlebnisse sollten gefeiert werden!
    (Ich lege mich beispielsweise zur Belohnung für eine erfolgreiche Gruppenführung einfach für eine Stunde mit einem frischen Fruchtsaft auf den Balkon)
  • Nimm Kritik ernst, aber lasse sie nur auf rationaler Ebene zu. Deine Begeisterung ist unabhängig von Anderen. Wenn sie sie noch nicht spüren können, hast du sie nur noch nicht gut genug von deinem Ziel überzeugt.

An sich selbst glauben
Du kennst deine Wünsche und Träume. Du weißt, wieviel Erfahrung und Wissen in deinem Leben steckt. Und niemand anderes kann deine Fähigkeiten so gut einschätzen wie du selbst. Daher - deine Freunde wollen mit gutem Rat und ihren Befürchtungen über dein Projekt nur helfen. Nimm diesen Rat auf jeden Fall an - vier Augen sehen besser als zwei. Nur, du kannst selbst entscheiden, ob du ihren Rat als weise betrachtest und ihn befolgen willst. Du bist zwar in der Selbsteinschätzung nicht unfehlbar, aber immer noch besser als alle anderen.
Doch Vorsicht: Grenzenlose Selbstüberschätzung mag in einigen Situationen sinnvoll sein, aber gehört nicht in den Zielfindungsprozess. Begeistert und blind verfolgte, aber unerreichbare Ziele überschreiten schnell die Schwelle zum Fanatismus.

Allen weitererzählen
Den Prozess des Selbstläufers kannst du unterstützen, indem du deinen Plan nicht nur im stillen Kämmerlein aufhängst. Trage deine Begeisterung offen vor dir her und erzähle allen, die davon hören wollen, von deinem großen Ziel. Du wirst Leute kennenlernen, die sich nur deshalb für dich interessieren - und deine Freunde denken sofort an dich, sobald sie etwas Neues über dieses Thema erfahren (auch wenn du es übersehen haben magst). Ein großes Ziel sorgt für Charisma und einen entschiedenen Charakter - du weißt genau, was du willst.
Und es gibt noch einen psychologischen Nebeneffekt: Wer seine Zwischenziele an Bekannte weitererzählt, geht eine soziale Verpflichtung ein. Man gibt ein Versprechen ab, und wenn das Ziel nicht rechtzeitig erreicht wird, fühlt man sich vor diesen Bekannten blamiert. Diese Taktik "soziale Verpflichtung"beruht zwar nur zum Teil auf innerer Motivation, ist aber äußerst effektiv bei kleineren, ungeliebten Aufgaben. Und auch schon ein unpersönlicher Blogeintrag kann zu einem Gefühl der Verpflichtung führen - ich beispielsweise schreibe alle meine anstehenden Klausur-Kapitel per Twitter in den weiten Raum des Internets.

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