6.6.08

Studienverkürzung Teil 3: Organisation



mit Fractalius behandelte, getrocknete lila Blüte mit langen Blättern auf Holz


Intensiv studieren, das bedeutet dutzende von Terminen pro Woche, hunderte studienrelevante Details übers Jahr und tausende Kleinigkeiten, die alle im Blick gehalten werden müssen.
Ich bin ein Streber, zugegeben. Wenn auch aus Leidenschaft. Aber als solcher versuche ich, meinen Kopf so frei wie möglich zu halten, damit so viel Lernmaterial wie möglich in kurzer Zeit hineinpasst. Meine Termine sind komplett auf PDA (derzeit Papier) ausgelagert - wenn dieses Teil nicht bei mir habe, kann ich einem Kollegen nicht sagen, in welchem Raum heute diese Vorlesung stattfindet. Ohnehin, Raumänderungen! Allein deshalb hat sich die Auslagerung schon gelohnt. Über dieses Jahr hatten wir 14 verschiedene Vorlesungen, durchschnittlich dreimal in außerplanmäßigen Räumen. Hätte ich mir die Zeiten, Raumregeln und -ausnahmen eingeprägt, könnte ich sie sicher schnell auswendig. Aber welch eine Zeit- und Platzverschwendung - dieses Wissen werde ich wirklich NIE wieder brauchen!
Erster Punkt daher:

Zeitmanagement
"Kann ich nächstes Semester jeden Dienstag abend Yoga machen?" "Wo schreiben wir nochmal Prüfung?" "Überschneidet sich das nicht mit meinem Dozentengespräch?"
All diese Punkte sollte ein einfaches Zeitmanagementsystem binnen Sekunden beantworten können. Sei es ein Jahreskalender, ein Handy/PDA oder Google Calendar - Hauptsache vollständig. Nichts ist ärgerlicher, als zugeben zu müssen: "Ich weiß noch nicht genau, in dem Zeitraum war irgendwas, aber ich hab's nicht aufgeschrieben."
Der Kalender sollte mindestens 8 Zeilen pro Tag hergeben und vorgedruckte Zeitangaben aufweisen. So lassen sich längere Termine einfach als vertikale Striche in den Tagesplan einzeichnen, Gefummel mit ungefähren Uhrzeiten ist nur zeitraubend.
Ohnehin - Uhrzeiten nur, wenn wirklich mal ein Termin pünktlich außerhalb der Halben (12:30 oder 16:00) beginnt. Für alles andere reicht ein einfacher vertikaler Strich mit Anfangs- und Endlinie.

Aber nicht nur für die außergewöhnlichen Termine, auch für das Studium selbst empfiehlt sich eine Zeiteinteilung. Ich hatte in der Schulzeit so meine Probleme mit Selbstdisziplin und fing immer erst "auf den letzten Drücker" an. Die Kunst bestand bei mir lange Zeit darin, diesen letzten Drücker gerade so lang zu machen, daß es zum Bestehen gerade reicht. Das hat mir meine Abiturnote auch gründlich versaut.
Für diese Zwecke lege ich mir am Anfang des Quartals/Semesters einen Zeitplan an. Wieviele Fächer habe ich, wann genau sind die Prüfungen, wieviele Kapitel hat das jeweilige Buch? Damit lassen sich die Kapitel schon einmal gleichmäßig auf die verbleibenden Tage aufteilen. Dann versuche ich so früh wie möglich herauszubekommen, wieviel Zeit ein Kapitel zum Lernen braucht - am Besten durch Selbstversuch, aber auch durch die Erfahrungen von Kollegen. "Ich habe dieses Wochenende nur dieses eine Buch gelesen, 8 Stunden am Tag - aber ich bin fertig geworden!" ist beispielsweise ein guter Anhaltspunkt für etwa 16 Stunden Lernaufwand. Die Kapitel stehen bei mir konkret auf den Tag festgelegt, anonsten fange ich nachträglich an, zu verschieben. Und zur sozialen Verpflichtung ist der Plan auch noch öffentlich.

Zeiteinschätzung
Beinahe essentiell ist es auch noch, die verplante Zeit gut einschätzen zu können. Nicht die Uhrzeit - sondern Zeit für Aufgaben. Wie lange brauchst du für ein vollständiges Frühstück? Braucht man vom einen Gebäude zum anderen wirklich nur 5 Minuten oder sind es in der Realität doch eher 12? Kannst du ehrlich sagen, daß du heute mit dem Projekt noch fertig wirst? Ich verschätze mich meistens noch um bis zu 50%, meistens nach unten, weitaus weniger bei alltäglichen Dingen.
Wieso willst du den Zeitaufwand von Aufgaben besser abschätzen können? Einige Gründe.
  • Deine Kompetenz steigt. Wenn du nach einer entsprechenden Frage sofort sagen kannst "Mit dem Text werde ich noch etwa 2 Stunden beschäftigt sein, dann ist er bereit zur Veröffentlichung", hinterläßt das einen professionellen und zuverlässigen Eindruck. Auch wenn der Termin letztendlich nicht ganz so klappt wie geplant - Studenten werden 50% Abweichung meistens verziehen.

  • Deine Terminplanung wird stabiler. Wenn in meinem Kalender steht "Freitag 12:00-18:00 Entwurf abgeben", weiß ich, daß ich mir an diesem Tag fast nichts anderes mehr vornehmen brauche. Wenn dagegen nur "18:00 Abgabe" notiert ist, werde ich in einem unachtsamen Moment noch für 15:00 ein Gespräch ausmachen - und muß dann am entsprechenden Tag mühsam um diesen Termin herum-arbeiten.

  • Deine Prioritätensetzung wird besser. Wenn ich weiß, daß mich ein Einkaufstrip für ein paar Früchte durchschnittlich 70 Minuten kostet, werde ich das an einem ohnehin dichtgepackten Tag eher bleiben lassen und die Konzentration auf etwas Wichtigeres legen. Dagegen - wenn du weißt, daß ein ordentliches Frühstück die Duschzeit nur um 20 Minuten verlängert, läßt sich das auch außerplanmäßig mal in den Morgenplan quetschen. Frühstück wird ohnehin weitgehend unterschätzt: zumindest an meiner Uni ist mein Frühstück um Welten gesünder als jeder beliebige Snack in der Mensa.
Wie kann man es lernen, Zeiten einzuschätzen? Ganz einfach, mit wirklich alltäglichen Dingen. Nimm die Stoppuhr aus dem Handy/iPod/Chronographen und miß wirklich einmal ab, wie lange es dauert, im Supermarkt an der Schlange zu stehen (1-3 Minuten). Oder wieviel Zeit einmal komplettes Abspülen kostet (20-40 Minuten). Oder wie lange diese nervige Ampel eigentlich rot ist (50 Sekunden). Oder wie lange der Bus genau zur Uni braucht (12, und nicht 10 Minuten, wie im Fahrplan angegeben). Oder wie lang man vom Betreten des Gebäudes bis zum richtigen Raum laufen muß (über eine Minute). Und so weiter. Diese Meßwerte sollen nicht zur Leidenschaft werden, dafür gibt es Mathematiker. Sie sollen dir nur einen zeitlichen Referenzpunkt für dein Leben in die Hand geben. Gerade beim ersten Mal wirst du verblüfft sein, wie weit deine Schätzungen daneben lagen!

Wenn das klappt, kannst du mit diesen Zeiteinheiten rechnen - ein neues Kapitel Philosophie entspricht beispielsweise bei mir ungefähr zwölfmal duschen. Und ehe du dich versiehst, stürmt jemand mit der Frage "Bis wann kannst du diese Zusammenfassung schreiben?" auf dich zu. Du denkst dir, ein Kapitel Health - viermal Einkaufstrip, schaust in deinem Kalender nach einer Lücke von 5-6 Stunden, hängst einen Puffer von 50% dran und antwortest "Mittwoch 18:00 schicke ich sie dir."


Puffer
Es gab eine Zeit, in der ich meine Gesprächstermine punktgenau auf das Ende von Vorlesungen legte. Das buchstabiert sich A-n-f-ä-n-g-e-r-f-e-h-l-e-r. Leider ist meine Uni in ihren Abmessungen nicht punktförmig, und so hetzte ich ständig - stets fünf Minuten zu spät - zu meinen Terminen. Heute lege ich mindestens 15 Minuten Pause ein - einer der kleinsten Puffer, die ich ohne Langeweile überbrücken kann.

Puffer können Leben retten.
Ist die Deadline Donnerstag Mitternacht, fange ich bei einem Zeitaufwand von 5-6 Stunden auch wirklich erst um 19 Uhr an. Die nächsten Stunden sind zwar hochkonzentriert und kommen dem Flow schon sehr nahe, aber hier darf wirklich nichts mehr schiefgehen. Sobald auch nur der Tee alle wird, komme ich in Zeitnot. Und größere Pannen wie Internetausfall oder gar ein falsch verstandener Unterpunkt des Arbeitsauftrags können in diesem Fall die ganze Arbeit ruinieren. In solch einem Fall beschummle ich mich selbst, trage die Deadline auf 21:00 Uhr ein und rechne damit weiter. Egal, was dann noch schiefgeht - es ist kein Grund, die Nerven zu verlieren.
Für Gruppenarbeiten ist besondere Vorsicht geboten. Ich dachte, ein Tag Puffer wäre genug - bis ich schmerzlich feststellen mußte, daß meine Teammitglieder höchstens alle zwei Tage ihre E-Mails lesen. Jetzt steht die Vorlaufzeit auf 3 Tage, und das ist schon recht risikobehaftet.

Puffer entspannen.
Mikro-Meditation? Autogenes Training? Kurzschlaf im Vorzimmer? Egal. Hauptsache die paar geschenkten Minuten nutzen, um abzuschalten. 8 Stunden Arbeit sind um Welten stressiger als 4 mal 2 Stunden - und da die Pause ja ohnehin aus dem restlichen Puffer geschöpft wird, kostet sie nicht einmal extra Zeit.

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